Alle Fotos: Charly Schwarz (Instagram)
„Lust auf eine sportliche Herausforderung?“ – Das sind die Worte, mit denen man mich wahrscheinlich am leichtesten zu einem neuen Projekt kann. Wenn darauf nicht „… es geht um Langlaufen“ folgt, was mich gleich wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt hat. „Ich bin noch nie auf Langlauf-Skiern gestanden“ war das erste, was mir dazu einfiel, um meine Zweifel in Worte zu fassen. „Genau solche Leute hätten wir gern“. Und bevor ich wirklich ein zweites Mal darüber nachgedacht habe, war ich auch schon dabei. Aber mir schwant schon: Ähnlich wie beim Adlerweg, wird auch das ein Projekt werden, dessen Ausmaß mir erst später bewusst wird.
Das war der Anfang vom Nordic Team Tirol. Einem Projekt von Tirol, das sieben Langlauf-Neulinge auf ihrem Weg zur Wettkampftauglichkeit begleitet. In unserem Fall wird das im Februar der Koasalauf sein. 50 Kilometer in der Nähe vom Koasa – die Rede ist natürlich vom Kaisergebirge – in St. Johann in Tirol. Damit wir nicht ganz auf uns allein gestellt sind, haben wir zum Glück einige Profis zur Seite gestellt bekommen: Allen voran Urban Lentsch, der den Koasa schon das ein oder andere Mal bestritten hat, und uns mit seinen Kollegen Raphi und Steve beim Langlaufen auf die Sprünge helfen soll.
Das Kick-Off-Wochenende fand vor ein paar Wochen in Seefeld statt. Der Ort ist natürlich kein Zufall, Seefeld ist immerhin Austragungsort der Nordischen Ski Weltmeisterschaften im kommenden Winter. So können wir schon im Vorfeld die Trainingsanlagen und Infrastruktur nutzen und den ersten Hauch einer Wettkampfs-Euphorie schnuppern, die hier auch Monate vor der WM bereits in der Luft liegt.
Tag 1: Bestandsaufnahme
Damit unsere Trainer und wir selbst mal wissen, wo wir körperlich stehen und auf welches Niveau unsere Trainingspläne ausgerichtet sein sollen, starten wir nach einer auflockernden E-Bike-Runde und Dehnungsübungen mit einem Leistungstest zusammen mit dem Olympiazentrum Innsbruck. Leistung heißt in dem Fall nicht nur Ausdauer und Kraft, sondern auch Balance, Sprungkraft, Körperspannung und Beweglichkeit. Für jedes Stichwort hatte Chris vom Olympiazentrum einen passenden Test parat.
Ein anstrengendes Programm, das am Schluss im Laktatstufentest gipfelte. Beim diesem Test mussten wir in steigernden Geschwindigkeiten Runden auf dem Sportplatz laufen. Nach jeweils 5 Minuten wird Blut abgenommen, der Puls aufgeschrieben und die Geschwindigkeit gesteigert. Das abgenommene Blut wird anschließend auf den Laktatgehalt analysiert wird. Der Laktatwert gibt bei unterschiedlichen Belastungen Aufschlüsse auf die individuelle Leistungsfähigkeit eines Sportlers und hilft in weiterer Folge bei der Erstellung des Trainingsplans. Der Test ist dabei auf Open-End ausgelegt, das heißt, solange, bis man die vorgegebene Geschwindigkeit nicht mehr halten kann.
Tag 2: Gewöhnung ans Gerät
Aber wie trainiert man eigentlich im Sommer fürs Langlaufen? Die Frage, die man sich dann schnell stellt, wenn man das erste Traningscamp bei sommerlichen 20 Grad absolviert. Auch wenn es in der Früh noch etwas frisch ist, sollen die Temperaturen untertags wieder in die Höhe schnellen und von Schnee ist weit und breit keine Spur. Die Antwort darauf heißt „Skiroller“. Verkürzte, schmale Langlauf-Ski mit jeweils zwei Rollen pro Fuß.
Schon nach den ersten Sekunden wird klar: Das wird eventuell doch eine noch größere Herausforderung als anfangs gedacht. Ich kann mich gar nicht erinnern, wann ich das letzte mal so wackelig und unsicher auf den Beinen war. Aber zumindest geht es nicht nur mir so. Ein Blick in die Runde zeigt, dass jeder so seine Probleme mit dem Gleichgewicht hat.
Wir beginnen bei den absoluten Basics und machen eine Übung nach der anderen: Zuerst im stehen. Dann gehen mit den Skirollern im Gras. Danach die ersten Schritte auf Asphalt. Mal mit Stöcken – mal wieder ohne. Und irgendwann die ersten Züge auf den Rollern. Aber nur auf ebenem Gelände. Denn wie bremst man eigentlich mit diesen Dingern? Zum einen kann man die Füße ähnlich wie ein Pflug beim Skifahren stellen und muss dann abwechseln mit den Füßen steigen weil die Rollen ja nicht seitwärts rutschen. Oder einfacher: Man fährt ins Gras und versucht mit einem Ausfallschritt das Gewicht nach hinten zu verlagern.
Übung für Übung kommt langsam das Gefühl für die Roller. Dank einiger Spiele und Übungen mit dem Ball, lernen wir nicht nur die trockenen Bewegungsabläufe, sondern auch die unvorhergesehenen Sachen miteinzubeziehen. Wie reagiere ich drauf, wenn ich einen Ball zu geworfen bekomme und den fangen soll? Zwischendurch drehen wir auf der Übungsstrecke ein paar Runden – immerhin klappt das mit ein bisschen Unsicherheit und Wackeligkeit schon ganz gut. Zu Mittag ist zumindest – nach vielen Übungen, Spielen und Parcours – die anfängliche Skepsis verflogen und ich denke mir erstmals, dass das mit viel Training doch etwas werden könnte.
Am Nachmittag folgte Imitationstraining mit Ex-ÖSV-Skilangläufer Martin Tauber. Imitationstraining heißt: Bewegungsabläufe ohne Skiroller lernen, einstudieren und verfestigen. Gerade beim Lernen einer neuen Sportart kann das sehr sinnvoll sein, um dann später die richtigen Bewegungen mit dem Sportgerät umsetzen zu können.
Tag 3: Erste Technik
Der dritte Tag bringt allem voran eines: Einen gewaltigen Muskelkater von den vielen ungewohnten Bewegungsabläufen und neu aktivierten Muskeln, die man vorher scheinbar nie gebraucht hat. Doch wie heißt es so schön … Nur die Harten kommen in den Garten. Also wieder zum Trainingsgelände und rein in die Bindungen der Skiroller.
Während Tag 2 der Gewöhnung an die Roller gewidmet war, geht es am letzten Tag um die Technik. Schnell zeigt sich, dass die Schwierigkeit vom Langlauf nicht nur in der Kraft und Ausdauer liegt, sondern vor allem auch in der Technik. Je nach Gelände und Zustand der Strecke und des Körpers gibt es beim Skating grundsätzlich verschiedene Bewegungstechniken.
Alles läuft auf die richtige Koordination von den Skiern und Stöcken – also den Beinen und Armen – hinaus. Diese Abläufe zu internalisieren, wird unsere Aufgabe über die nächsten Wochen und Monate sein. Unser Ziel ist es, nicht mehr drüber nachdenken zu müssen und ein automatischen, fließenden Übergang zwischen den Techniken zu erreichen.
Zum Abschluss laufen wir eine ganze Runde auf den Seefelder Asphalt-Loipen. Inklusive der ersten Abfahren, die bei jedem ein bissl Bauchweh hervorgerufen haben. Denn irgendwie hat man immer im Hinterkopf, dass man mit den Skirollern nicht bremsen kann. Also bleibt nur eines: „Augen zu und durch“.
Was beim ersten Mal bergab noch schlimm war, war beim zweiten Mal schon einfacher. Und beim dritten Mal noch einfacher. Ich glaube, dass das auch schlussendlich das Spannende an diesem Projekt wird: Den Ehrgeiz zu haben, etwas Schwieriges, das nicht auf anhieb klappt, so oft zu machen und zu üben, bis man es unter Kontrolle hat. Der Wettkampf im Februar wird schließlich zeigen, ob wir in den nächsten Wochen und Monaten genug Hartnäckigkeit und Ehrgeiz an den Tag gelegt haben.
Mehr über das Nordic Team Tirol und unser Training findet ihr auf den Instagram-Accounts von Katharina (@kaddi_kestler), Laura (@alltimelaura) und Meike (@mademoiselle_monaco) von den @munichmountaingirls, Marlene (@marlenesleben), Christian (@outville) und Alex (@alexzimmi1).