Alle Fotos: Charly Schwarz (Instagram)
Mit unserem Trainingsplan ausgestattet, haben wir die fünf Wochen seit dem ersten Nordic Team Tirol-Trainingscamp in Seefeld mehr oder weniger erfolgreich an unserer Form gearbeitet: Mal langen Laufeinheiten und Intervalltraining, dann wieder mit den Ski-Rollern die Donauinsel auf und ab und Krafttraining zu Hause. Ich glaube es kann niemand von uns behaupten, dass es fad war. Ganz im Gegenteil – der vollbepackte Trainingsplan hatte auch sein Gutes: Die Zeit bis zum zweiten Trainingscamp ist wie im Flug vergangen.
Im November haben wir uns zum zweiten Trainingscamp in Osttirol getroffen. Im kleinen Örtchen Obertilliach, um genau zu sein. Eingefleischte James Bond-Fans kennen Obertilliach vielleicht noch als Drehort von Spectre. Das Dorf mit ungefähr 650 Einwohnern liegt ganz im Süden von Osttirol, eingebettet in einem Hochtal auf 1450 m. „Ein Berggipfel weiter und wir wären in Italien“ – erklärt uns Hotelbesitzer Sepp Lugger bei einer Führung durch den schönen Ortskern. Dieser besteht aus alten, aber gut erhaltenen Holzhäusern und Bauernhöfen, die sich fast nahtlos aneinander reihen. Das komplette Gegenteil dazu sind die weiten Felder unterhalb. Hier stehen nur ab und zu ein paar Stadl, die Obertilliach seinen charakteristischen Look verleihen. Neben viel Land- und Forstwirtschaft, lebt die kleine Gemeinde vor allem vom Tourismus. Ein Skigebiet, dessen Pisten direkt in den Ort münden und weiter hinten das Langlauf- und Biathlonzentrum, auf das wir unser Augenmerk gerichtet haben.
Die ursprüngliche Idee war, dass wir durch die Höhenlage von Obertilliach mit großer Wahrscheinlichkeit erstmals mit Schnee in Kontakt kommen und dementsprechend mit richtigen Langlauf-Ski trainieren können. Auch wenn uns das Tauwetter diesen Plan fast durchkreuzt hätte, schaffte es das Biathlonzentrum in Obertilliach gerade noch, eine Loipe für das Training zu eröffnen. Für uns … und für die Nationalteams aus Österreich, der Slowakei, Russland, Polen und Italien. Wir waren also nicht die einzigen mit der Idee, in Obertilliach zu trainieren.
Doch vor dem Training gehts noch ums Material: Das kommt wie die Ski-Roller von Fischer. Nachdem ich noch nie einen Langlauf-Ski in der Hand hatte, war ich erstmals ein bisschen irritiert, wie leicht diese Brettln sind. Wie wenn er diese Reaktion erwartet hatte, hat Christian Wimmer von Fischer einen aufgeschnittenen Ski dabei. Denn das geringe Gewicht macht sofort Sinn, wenn man das Innere sieht: Eine Wabenstruktur aus Karton macht die Ski äußerst stabil und trotzdem leicht. „Ähnlich wie ein IKEA-Möbelstück“, denk ich mir. Stöcke verwenden wir die gleichen wie am Asphalt und bei den Schuhen wechseln wir zum Wintermodell. Soweit zur Theorie – nun auf die Loipe.
Der erste Schneekontakt fühlte sich dann … sagen wir es mal nett ausgedrückt … komisch an. Ich hatte ja gehofft, dass das ganze auf Schnee doch um einiges einfacher wird als mit Ski-Rollern auf Asphalt. Immerhin bin ich Alpin Ski seit meiner Kindheit gewohnt, auf denen ich mich pudelwohl fühle. Doch dieser Traum platzte ziemlich schnell. Zwar ist die psychische Hemmschwelle auf Schnee viel kleiner als auf Asphalt, aber so wirklich toll ist es nicht. Es ist anders als mit den Ski-Rollern, aber nicht unbedingt einfacher. Aber jammern hilft nichts, also mal eine Runde laufen, vielleicht wird es dann besser.
Nach den ersten Runden des freien Ausprobierens auf der Loipe wird es tatsächlich besser. Man kann gewohnte Taktiken vom Skifahren nutzen: Zum Beispiel den Pflug zum Abbremsen. Auch das Abfahren und Kurven machen ist auf Schnee angenehmer. Man zerrt hier von den Erfahrungen, die man auf Ski gemacht hat – auch wenn man mangels Kanten und Taillierung die Bewegungen nicht übernehmen kann und die Reaktionen vom Material sich doch anders anfühlen.
Um mehr Gefühl für den Schnee zu bekommen, machen wir viele Übungen von damals in Seefeld wieder. Man sieht sofort, dass wir uns insgesamt seit dem letzten Mal alle gesteigert haben. Die Abläufe sind flüssiger, wir stehen viel sicherer und nicht so wackelig auf den Brettern.
Ab und zu bleibt einer der Profis auf der Loipe stehen und fragt, was wir da eigentlich machen. (Ich glaube man erkennt ganz leicht, dass wir nicht zu den Nationalteams gehören 🤣). Nach der Erklärung gibt es meist zwei Reaktionen: Erstens, die Frage ob wir komplett wahnsinnig sind und ob wir nicht lieber nur die halbe Distanz laufen wollen. Und zweitens ein aufmunterndes „ah, das wird schon werden“. Auch wenn genau merkt, dass sie eigentlich was anderes denken. Für die Motivation ist beides nicht wirklich hilfreich. Zwischendurch denke ich mir aber doch, dass die 50 km beim Koasalauf schon irgendwie gehen – doch solche Reaktionen holen mich dann schnell wieder auf den Boden der Tatsachen zurück.
Damit das „schon wird“, machen wir das Wochenende viele Übungen. Wir konzentrieren uns abwechselnd auf die verschiedenen Bewegungsabläufe, die man beim Skating braucht: „2:1 symmetrisch“ für die flachen Stücke, der „1:1er“ für dazwischen und „2:1 asymmetrisch“ für die steilen Abschnitte. Jede Bewegungsart braucht seine eigenen Abläufe, hat seine eigenen Tücken und braucht ein anderes Timing für Stockeinsatz, Gleitphase und Abdruck. Damit wir das wirklich verinnerlichen, heißt es üben, üben, üben. Im Idealfall geht es irgendwann in Fleisch und Blut über, sodass wir nicht mehr nachdenken müssen. Aber davon sind wir noch ein ganzes Stück entfernt.
Dass man beim Langlaufen einen gehörigen Kalorienverbrauch hat, merkt man spätestens wenn dauernd der Magen knurrt. Damit wir diese Kalorien bestmöglich wieder auffüllen, hat die Tiroler Küche zum Glück einige Schmankerl in petto. Im Hotel lernen wir die Zubereitung von Schlipfkrapfen – der „Osttiroler Kraftpasta“: Nudelteig gefüllt mit Erdäpfeln. Getränkt in Butter und bestreut mit Käse. Also Carbs gefüllt mit Carbs und oben drauf Fett und Fett. 😅. Kraftpasta übrigens deswegen, weil diese früher bei der kräftezehrenden Heuernte gegessen wurde. Wir ernten zwar kein Heu, fix und fertig sind wir nach dem Tag auf der Loipe trotzdem.
Wie auch beim Trainingsplan besteht unsere Trainingscamp nicht nur aus Langlauf-Einheiten. Damit die Grundlagenausdauer und die Körpermuskulatur mitspielen, müssen wir in Obertilliach natürlich auch in die Kraftkammer. Die befindet sich „zum Glück“ gleich neben der Loipe im Biathlonzentrum. Wir machen ein Zirkeltraining, das sich gewaschen hat. Da Langlaufen halt mal ein Ganzkörpersport ist, müssen wir natürlich auch unseren ganzen Körper trainieren um besser zu werden. Es geht viel um Balance, aber auch reine Muskelkraft. Das muss wehtun – und das tut es auch.
Nach dem Krafttraining und einer kleinen Stärkung zu Mittag, geht es am Sonntag-Nachmittag ein letztes mal auf die Loipe. Die vielen Inputs vom Wochenende zeigen ihre Wirkung. Ich merke, dass es irgendwie läuft. Bewegungen werden flüssiger, man steht sicherer auf den Skiern. Beim Abfahren hat man keine Todesangst mehr. Und irgendwie macht es zum ersten Mal Spaß. Als ich das dem Raphi zum Abschluss sage, kontert er „Wenn es Spaß macht, dann haben wir als Trainer definitiv was falsch gemacht“. Wir lachen.